Mehlbeeren und andere Botschafter

2024 ist noch lange nicht zu Ende. Über die spannenden Tiere und Pflanzen, die dieses Jahr für den Arten- und Naturschutz werben, gibt es einiges zu erzählen.

Hängendes Widerhakenmoos, Stierkäfer und Kreuzotter sind weitere gefährlich klingende Auserwählte – die Natur des Jahres 2024 hat es wirklich in sich. Einige Extremsportler sind auch dabei: Gleich zweimal lauert uns die Gefleckte Höhlenspinne auf, als Spinne und als Höhlentier dieses Jahres. Und das Caféteria-Geißeltierchen lebt sowohl in der Wüste, als auch in 8000 m Wassertiefe.

Zum Glück bringt die Garten-Stockrose, Vertreterin der Stadtpflanzen, Vertrautes ins Bild. Über kleine Rüsselkäfer auf Stockrosen hatte ich ja schon in einem anderen Blog-Artikel berichtet.

Angefangen mit dem Vogel des Jahres beim NABU 1971 haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr Organisationen begonnen, bestimmte Lebewesen stellvertretend auszuwählen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Dieses jährliche Nature-Casting finde ich spannend und entdecke immer wieder Neues dabei. Eine gute Übersicht dazu gibt es hier.

Maskenbiene und Hefe im Pandemiejahr

Auch an Humor fehlt es manchen Jury-Mitgliedern nicht. So wurde mitten in der Pandemie 2022 die Rainfarn-Maskenbiene zur Wildbiene des Jahres und die Hefe zur Mikrobe des Jahres ernannt. Ihr erinnert euch? Hefe war dauernd ausverkauft, plötzlich hatten die vom Lockdown geplagten Menschen das Brotbacken wiederentdeckt.

2023 hatte es mir das Grüne Gallertkugeltierchen besonders angetan. Und 2024 begeistert das Kabelbakterium, das tatsächlich in seinen Proteinfasern Strom leiten kann und uns vielleicht einmal biologisch abbaubare Elektrokabel liefern wird.


Die Mikrobe des Jahres 2024, das Kabelbakterium Candidatus Electronema, 10.000fach vergrößert, bildet „Kabelsalat“. Aufnahme: Pia B. Jensen, Aarhus (CC BY 4.0)

Baum des Jahres

Besonders erwähnen möchte ich noch den Baum des Jahres 2024, die Mehlbeere. Hier im Emsland und in der Grafschaft wachsen zahlreiche Mehlbeeren als Straßenbäume, besonders auch an Nebenstraßen und Feldwegen. Mehlbeeren sind wegen ihrer weißlich behaarten Blätter hitze- und trockenheitsbeständig und werden sicherlich im Klimawandel zunehmend eine Rolle für die Bepflanzung unserer Städte spielen. Die bundesweite Gartenamtsleiterkonferenz (GALK), von deren Existenz ich erst durch den Artikel zum „Baum des Jahres“ erfuhr, hat die Mehlbeeren jedenfalls in die Liste der Zukunftsbäume für die Stadt aufgenommen. Und zwar sowohl die Echte Mehlbeere, als auch die hier an den Straßen meist angepflanzte Schwedische Mehlbeere.

Die Mehlbeeren werden jetzt reif.

An jeder Kreuzung eine Kreuzung

Pikantes Detail: Die Mehlbeeren neigen zum Bastardieren, was der Verein Baum des Jahres augenzwinkernd als „sexuelle Freizügigkeit“ beschreibt. Sie kreuzen sich untereinander, also Echte Mehlbeere mit Zwerg-Mehlbeere, Eberesche oder Elsbeere, je nach Verfügbarkeit. Auch mit entfernteren Verwandten wird es ausprobiert, etwa mit der Apfelbeere oder dem Birnbaum.

Das sorgt für Gelassenheit bei der Pflanzenbestimmung, denn wer die Art nicht genau erkennt, kann sich damit herausreden, dass es ja eine von diesen vielen verrückten Kreuzungen sein könnte.

Die Hybriden, die aus solchen Kreuzungen hervorgehen, sind meist steril, aus befruchteten Blüten bilden sich keine keimfähigen Samen. Aber diese Bäume haben einen Trick gefunden, sich trotzdem zu vermehren: Sie klonen sich selbst! Und zwar, in dem sie eine normale Gewebezelle zu einem Samen umbilden. Ich sag‘s ja immer wieder: Pflanzen haben‘s drauf!