
Das Nest
Das Blätterdach verweht und alle Tarnung aufgeflogen,
Erbauer und Besitzer sind schon lange fort gezogen,
es schwankt im Wind – ich wanke selbst bei jedem Blick nach oben,
doch ist das Nest hoch im Geäst noch immer fest verwoben.
Zwei Dutzend Flöhe harren aus, sie haben jetzt viel Raum,
dreihundert Milben nähren sich von Resten Federflaum,
bis sie vom Frost getrocknet werden, schließlich bleibt nur Staub,
der auf dem Boden Asseln nährt im abgefallnen Laub.
Im Frühjahr kribbelt es im Baum, er spürt die Säfte steigen.
Er dreht und streckt sich und er wächst, ganz langsam wird sichs zeigen.
Und aus den Fugen geht das Nest, es hält dem Druck nicht stand.
Der Baum streifts endlich ab von seiner sonnen-warmen Hand.
Der erste Spaziergang im neuen Jahr ist etwas Besonderes. Wie hat die Natur den ganzen Trubel überstanden? Hat sich etwas verändert oder geht alles immer noch seinen gewohnten Gang? Ein paar lyrische Notizen:

endlich wieder
auf gewohnten pfaden
den blick ins weite lassen
nach all dem schall und rauch
was gibt’s neues,
jahr?
ein baum fiel
ein bau wurde gegraben
ein lager brach ein
federn vielerorts
gerupfte
zapfen auch
die davongekommenen
in der weihnachtsbaumplantage
winken mit nummerierten fähnchen
zwei rehe kreuzen den weg
wildgänse streben
dem schlafgewässer zu
die sonne grüßt
ganz kurz
mit blassem leuchten
tief im südwesten
noch drei raue nächte
und dann
wird es schon werden

MÄRZ
Der Winter geht auf dünnem Eis,
die Meisen wetzen ihre Kehlen.
Der Rüttelfalke überm Stoppelmais
wird seine nächste Maus vielleicht verfehlen.
Vornehme Pferde tragen jetzt noch Karotuch
und manchmal eine Kniebandage,
der Ackergaul macht einen Pflugversuch
hoch oben in der Weihnachtsbaumplantage.
Felder und Weiden sind zertreten und gebleicht,
die Hecke überhaucht von Haselpollen,
die letzten Vogelnester restlos aufgeweicht
und in der Luft ein Nichtmehrfrierenwollen.
Ich treffe eine Boßelgruppe, die den Weg vermisst,
sie bieten einen Roten an zum Scherz.
Ich trinke zwei, weil heute mein Geburtstag ist
und so kommt endlich Farbe in den März.
Der windige Dichter
der Wind
tuschelt im Schilf
er fischt Verse
faselt leise vom Schüttelreim
und weht wieder heim
der Wind
raschelt im Halm
erhascht einen Satz
treibt vor sich her ein halbes Sonett
und legt sich wieder zum Fluss ins Bett
der Wind
wiegelt Wellen auf
er sammelt silbrige Zeilen
die Abendsonne sieht es mit an
doch kann sie nicht länger verweilen
und vollendet mit ihrem letzten Licht
das Gedicht