„Akazienblüten“

Meine ersten Lebensjahre habe ich im Akazienweg in Göttingen verbracht. Welcher Baum war damit wohl gemeint?

Die Schein-Akazie oder Robinie ist eine wertvolle Bienenweide. Ihre langen weißen Blütentrauben zeigen den Frühsommer an. Und der Honig, der aus dieser Tracht entsteht, wird „Akazienhonig“ genannt.

Globale Namensverwirrung

Der Baum, um den es in diesem Blogartikel geht, stammt aus Nordamerika und heißt Robinia pseudoacacia, also Robinie bzw. Schein-Akazie. Zu diesem Beinamen kam die Robinie wegen ihres bizarren Wuchses und der lichten Krone. Das lässt an die echten Akazien der afrikanischen Steppe denken. Aber während in Deutschland die Robinie meist einfach nur Akazie genannt wird, heißen die echten Akazien, die in Südfrankreich als Parkbäume angepflanzt werden, „Mimosas“. Bei uns findet man sie unter den Namen „Falsche Mimose“ oder „Gelbe Mimose“. Vermutlich weil die Blätter der Akazien (genau wie die der Robinien) in viele zarte Blättchen unterteilt sind und dadurch an die berührungsempfindlichen Mimosenblätter erinnern. Die echten Mimosen wiederum sind in Südamerika beheimatet und haben rosa Blüten. Alles klar? Fazit: Wer im Netz nach Infos oder Bildern zu Akazien oder Mimosen sucht, sollte ganz genau hinschauen, um herauszufinden, welche Pflanzen tatsächlich gemeint sind.

Der Baum, der geholfen hat, die USA aufzubauen

Um nicht noch mehr Durcheinander anzurichten, spreche ich jetzt im Weiteren von der Robinie. Die wurde im 17. Jahrhundert aus dem östlichen Nordamerika nach Europa eingeführt. Die Amerikaner schätzen das Pioniergehölz sehr, es heißt sogar, die USA seien darauf erbaut. Die ersten Siedler Virginias verwendeten das besonders harte Holz für die Eckpfosten ihrer Häuser und als Zaunpfähle. Auch für den Schiffsbau der Marine war das Holz unverzichtbar.

Bauen, heizen, naschen

Bei uns wird das Holz neuerdings gern für Spielgeräte genutzt. Es ist ohne Imprägnierung haltbar und kann als Ersatz für Tropenholz verwendet werden. Die stets etwas gebogenen Stämme laden zu kreativer Gestaltung an.

Als Brennholz vereint die Robinie gleich zwei wichtige Eigenschaften: Der Baum wächst schnell und das Hartholz hat einen sehr guten Brennwert.

Robinienblüten sind essbar und schmecken zart nach Erbsen. Blätter, Rinde und Schoten sind für den Menschen allerdings giftig. Auch Pferde sollten nicht an der Pflanze knabbern.

Hängebrücke aus Robinienholz auf einem naturnahen Spielplatz

Soll ich oder soll ich nicht?

Die Blätter der Robinie sind in Fiederblättchen unterteilt. Als Kind habe ich sie früher manchmal als Entscheidungshilfe oder als „Orakel“ benutzt. Nach und nach werden die Fiederchen eines Blattes abgezupft. Dazu wird die zu entscheidende Frage gestellt. „Soll ich? Soll ich nicht?…“ Das letzte verbliebene Fiederchen gibt die Antwort.

Invasiv oder Baum der Zukunft?

Die Robinie kommt bei uns an Waldrändern, auf Brachflächen und auch als Stadtbaum vor. Auch zur Böschungsbefestigung, etwa an Autobahnen, wurde sie verwendet. Sie verbreitet sich durch Wurzelausschläge und erobert schnell das Terrain, solange sie genügend Licht bekommt. Verwandt mit dem Goldregen, mit Erbsen und Bohnen, sowie mit dem Klee, gehört sie zur Familie der Schmetterlingsblütler. Wie alle Pflanzen aus dieser Familie kann sie den Stickstoff aus der Luft binden, mit Hilfe von Bakterien. Auf diese Weise ist sie in der Lage, auch magere Standorte zu besiedeln. Allerdings ist ein zusätzlicher Stickstoffeintrag in unserer ohnehin überdüngten Landschaft nicht überall erwünscht. Wegen ihrer Ausbreitungstendenz galt die Robinie zudem als invasiv und musste zumindest in Naturschutzgebieten eingedämmt werden. Inzwischen setzt ein Umdenken ein. Denn in entwaldeten, von Erosion betroffenen Gebieten könnte die Robinie den Boden für neuen Wald bereiten. Und wegen ihrer Trockenheits-, Hitze- und Salztoleranz ist sie möglicherweise ein Baum der Zukunft.